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Presse

Aggressive Makler verärgern Hausbesitzerinnen

Gabriel Diezi, Leiter Deutschschweiz von Bestag äussert sich zur aktuellen Marktlage: Für einen optimalen Verkauf ist am Wichtigsten, die lokal besten, kompetentesten und spezialisiertesten Makler:innen zu finden.

PDF zum Download: 2021-07-25-sonntagszeitunggefragtes-wohneigentum-aggressive-makler-verargern-hausbesitzerinnen-tages-anzeiger.pdf, Link zum Artikel


Aggressive Makler verärgern Hausbesitzerinnen

Die Nachfrage nach Wohneigentum übersteigt das Angebot in der Schweiz bei weitem. Auf der Suche nach neuen Objekten durchforsten Makler auch mal die Todesanzeigen.


Die Frau am Telefon war nett, aber forsch. Sie stellte sich bei Claudia Durrer, als Mitarbeiterin eines «erfolgreichen Immobilienunternehmens aus dem Raum Winterthur» vor. Die Maklerin schien bereits zu wissen, dass Durrer, die eigentlich anders heisst, Hausbesitzerin ist. Wahrscheinlich wusste sie auch, dass Durrer 75-jährig und verwitwet ist. «Eine Liegenschaft kann einem ab einem gewissen Alter ja auch zu viel werden, so mit dem Garten und allem», sagte die Maklerin. Und wurde dann konkret: Könne Durrer sich vorstellen, sie mit dem Verkauf ihres Einfamilienhauses zu beauftragen?

Durrer war verblüfft über den Anruf und lehnte dankend ab. «Ich erklärte der Dame, dass kein Bedarf bestehe, da ich zwei Kinder habe, die sich im Fall der Fälle darum kümmern würden», erzählt sie. Geärgert habe sie, dass die Maklerin mit ihr sprach, als ob sie «geistig nicht mehr auf der Höhe wäre», erzählt Durrer.

Als Seniorin und Eigenheimbesitzerin ist Durrer nicht die Einzige, die derzeit von Maklern umworben wird: Eine Freundin – ebenfalls alleinstehend und 75-jährig – fand eine Broschüre im Briefkasten, mit der Frage, ob sie ihre Eigentumswohnung schätzen lassen wolle, mit einem Angebot für einen Preisnachlass, wenn sie auch gleich den Verkauf über die Firma abwickle.

«Makler werden aggressiver in ihrer Akquise», sagt Gabriel Diezi, Leiter Deutschschweiz bei Bestag. Die Beratungsfirma hilft Verkaufswilligen durch den Immobiliendschungel und unterstützt sie bei der Suche nach dem besten Makler. Dabei schöpft das Unternehmen aus einer grossen Datenbank. Immobilien für den Verkauf zu akquirieren, sei immer schon der schwierigste Teil der Maklertätigkeit gewesen, sagt Diezi.

Doch Corona habe die Situation noch verschärft, das Angebot an Kaufimmobilien sei geschrumpft. Zwischen Juni 2020 und April dieses Jahres ist die Anzahl der in der Schweiz zum Verkauf angebotenen Immobilien laut Bestag um fast 40 Prozent zurückgegangen. Das sind fast 10’500 Immobilien weniger als im Vorjahr.

Der Rückgang habe weniger damit zu tun, dass sich mehr Menschen wegen Homeoffice oder Ansteckungsängsten das Haus auf dem Land kauften, sondern mit der Zurückhaltung der Verkäufer, so Diezi. Besitzerinnen würden ihr Ferienhaus nun doch selber nutzen. Manche Ferienhäuser stünden nicht mehr zum Verkauf, weil sie nun von den Besitzern selbst genutzt würden oder diese zurückhaltender mit dem Verkauf seien. Dies treffe vor allem auf die Babyboomer als Risikogruppe zu. Auch weil diese keine womöglich infizierten Besucher durch ihre Häuser führen wollten.


Makler profitieren von Preissteigerungen

Die Knappheit und die gleichzeitige hohe Nachfrage nach Wohneigentum führten im vergangenen Jahr zu starken Preisanstiegen bei Einfamilienhäusern. Ein Ende ist noch nicht in Sicht. Laut aktuellen Zahlen der Immobilienberatungsfirma Wüest Partner stiegen die Verkaufspreise zwischen dem ersten und dem zweiten Quartal dieses Jahres bereits um 2,1 Prozent. Und im Vergleich zum Vorjahresquartal im Schnitt um 6,3 Prozent. Auch Eigentumswohnungen wurden seit Mitte 2020 um 6,8 Prozent teurer.

Makler, die in der Regel beim Hausverkauf eine Provision von bis zu 3 Prozent erhalten, profitieren von den gestiegenen Preisen. Und scheinen nun ihre Bemühungen zu intensivieren, um an Verkaufswillige zu gelangen. Das Versenden von Flyern oder direkte Telefonanrufe seien aktuell keine Seltenheit, sagt Diezi. Manch ein Makler gehe gar von Tür zu Tür, um zu fragen, ob man sich den Verkauf des Hauses nicht vorstellen könne.


Über die Todesanzeige zur Festnetznummer

An Telefonnummern oder Adressen kämen die Maklerinnen und Makler auf unterschiedliche Art und Weise. Im Fall der verwitweten Claudia Durrer sei es naheliegend, dass die Todesanzeigen durchforstet wurden, um so an die Festnetznummer im Telefonbuch zu gelangen. Über Datenanbieter würden ebenfalls Kontakte eingekauft. Kurzum: Die Maklerbranche steht unter Druck.

Wie gross der Druck ist, an passende Objekte zu gelangen, zeige sich, wenn Privatpersonen versuchten, ihr Haus ohne Makler über Inserate auf Immobilienportalen zu verkaufen. Auch Bestag ist an neuen Kundinnen interessiert, und so greift Diezi auch mal selbst zum Hörer: «Wenn ich danach frage, wie viele Makler sich bereits gemeldet haben, werden mir in der Regel Zahlen zwischen 30 und 100 genannt», sagt er.

Keine Anrufe, dafür Flyer erhält Johann Schwendt (Name geändert) aus Bülach ZH regelmässig. Trotz des «Bitte keine Werbung»-Klebers lag in seinem Briefkasten unlängst ein Flyer einer Maklerfirma mit dem Versprechen: «Wir verkaufen Ihr Wohneigentum.» Zusätzlich klebte dort ein Beutel Entspannungstee mit der Aufforderung: «Geniessen Sie eine Tasse Tee und wir kümmern uns um den Rest.» Der Zeitpunkt für den Verkauf von Wohneigentum sei jetzt perfekt, die Nachfrage riesig, hiess es weiter.

«Ich habe nicht vor, mein Haus zu verkaufen», sagt Schwendt. Er habe relativ viel Umschwung, was das Grundstück für Spekulanten interessant mache. Bauland sei extrem knapp und Einfamilienhäuser, die in seiner Nachbarschaft verkauft werden, würden sofort abgerissen und durch neue Reihenhäuser ersetzt.


Schweizerische Maklerkammer kritisiert Kaltakquise

Wieso gehen Maklerinnen Hausbesitzer an, obwohl diese ihre Immobilie gar nicht zum Verkauf stellen? «Für Makler ist es interessant, so früh wie möglich dabei zu sein», sagt Gabriel Diezi von Bestag. Wenn sich die Besitzerin für den Verkauf entscheidet, erinnere sie sich im besten Fall an den netten Mann am Telefon.

Was jedoch mitunter nicht immer im Interesse des Verkäufers sei. So sei ein Haus am Walensee von einem Makler aus Solothurn verkauft worden, der sich nicht in der Region auskannte und somit weder über lokale Marktkenntnisse noch über potenzielle Kaufinteressenten verfügte. «Entsprechend unter Wert wurde die Immobilie letztendlich verkauft», sagt Diezi.

Der Flyer aus Johann Schwendts Briefkasten kommt von der Maklerfirma Steinauer Immobilien. «Es ist aktuell schwierig, neue Verkaufsobjekte zu finden», bestätigt Makler Lukas Andermatt von Steinauer. Zwar sei das Makler- und Verwaltungsunternehmen in der Region Bülach bekannt, doch hätten sie es trotzdem nicht leicht gehabt, neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen. Auch weil Events wegen Corona nicht möglich gewesen seien.

So kam die Idee mit den Flyern auf. «Wir haben uns überlegt, dass der Schriftweg besser ankommt als der digitale via E-Mail», sagt Andermatt. Mit dem angehängten Entspannungstee sieht er die Aktion auch mehr als Geschenk. «Wir sind uns natürlich bewusst, dass dies nicht jedem gefällt», sagt der Makler. Die Reaktionen seien bisher aber positiv gewesen.

Bei der Kontaktaufnahme mittels Flyer oder Telefon handle es sich um die sogenannte Kaltakquise, sagt Ruedi Tanner, Präsident der Schweizerischen Maklerkammer. Besonders grosse internationale Maklerfirmen wie Engel & Völkers oder Remax würden davon seit Jahrzehnten Gebrauch machen – oft auch mit Erfolg. «Es gibt ganze Lehrbücher zu diesem Thema, das besonders bei jungen Maklerinnen und Maklern beliebt ist», sagt Tanner.

Er selbst hält von diesen Methoden wenig: «Als Maklerkammer unterstützen wir dies nicht.» Auch weil das teilweise aggressive Vorgehen nicht der Mentalität der Deutschschweizer entspreche. So würden Telefonanrufe schnell als aufdringlich empfunden. Auch in der Branche und bei den 120 Mitgliedern der Maklerkammer seien diese Praktiken nicht gern gesehen. «Es wirft ein schlechtes Licht auf die Makler, sagt Tanner, «und erweckt den Eindruck der Auftragshascherei.»

«Wie viel ist meine Immobilie wirklich wert?»